Tag 9: Eisenach nach Bad Salzungen

Eisenach liegt direkt an einem relativ steilen Höhenzug. Schon wenige Minuten nach Abfahrt bei der Pension muß ich in den kleinsten Gang schalten. Sowohl Google Maps als auch die App komoot schlagen mir als Route eine Bundesstraße vor. Sie ist den Berg hoch ziemlich schmal, kurvig, und sehr rege befahren. Dies nicht nur von PKW’s, sondern auch von zahlreichen LKW’s. Manche davon überholen rücksichtsvoll und in großem Abstand, andere rasen mit ihren 40-Tonnern wie die Gestörten nur etwa einen Meter neben mir vorbei, sodaß ich mich schimpfend mehr als einmal auf den Grünstreifen rette. Gerade bergauf, wo es kaum schneller als in Schrittgeschwindigkeit voran geht, ist diese Strecke für Radfahrer der pure Stress!

Der am Helm befestigte Rückspiegel leistet mir hier sehr gute Dienste, indem er vor sich von hinten nähernden Fahrzeugen im Allgemeinen, und vor zu nah überholenden Idioten im Speziellen warnt, was es mir ermöglicht, ggf. noch zu reagieren.

Sehr langsam geht es auf der steilen Strecke voran. Nach einiger Zeit habe ich den Hauptscheitelpunkt der Strecke erreicht. Ich mache dort im Schatten großer Sonnenschirme an einem Imbiss Pause, und hole gemütlich die Fotoauswahl, die Fotobearbeitung und das Schreiben der Texte für die zurückliegenden beiden Tage nach.

Leider lösche ich dabei unabsichtlich einen Text, an dem ich über eine Stunde geschrieben hatte – eine weitere Nervenprobe.

Währenddessen versorge ich mich am nahen Imbisstand mit leckerer original Thüringer Rostbratwurst – natürlich auf Buchenholzkohle gegrillt, wie sich das gehört, sowie ergänzt um den lokaltypischen Senf, der etwas anders schmeckt als die Variationen, die es in Bayern üblicher Weise zu kaufen gibt. Dazu gibt’s Radler – so lässt es sich aushalten.

Trotzdem bin ich die ganze Zeit über nervlich etwas gereizt: Ich leide nach wie vor unter dem Sonnenbrand, den ich mir vor ein paar Tagen zugezogen hatte, und der durch weitere Streckenkilometer unter der Sonne auch nicht unbedingt besser wird – andererseits will ich weiter kommen – eigentlich wäre das nächste naheliegende Ziel von der Entfernung her Meiningen, doch das sind noch etwa 30 Kilometer.

So vergehen an dem Rastplatz die Stunden – das Arbeiten an den Blog-Artikeln und an den Fotos macht zwar Spaß, frisst aber die Zeit, und lässt das Ziel Meiningen zunehmend unrealistisch erscheinen. Schließlich schließt der Imbiss, und auch ich beginne meine Sachen einzupacken. Ein Radfahrer aus der Region taucht auf, der darauf spekuliert hatte, daß der Imbiss noch offen hat. Wir unterhalten uns kurz über die Radwege-Situation hier. Er empfiehlt mir für den Fall, daß ich nicht bis Meiningen durchfahren will die Stadt Bad Salzungen für mein Nachtquartier.

Es geht weiter. Unterwegs stoße ich noch auf eine ehemalige Schlossanlage, die auf ein Jagdrevier des Adels zurückdatierte, dann jedoch unter der DDR ziemlich verfallen war. Jetzt hat sich eine Thüringer Stiftung für Schlösser der verschiedenen, baufälligen Gebäude angenommen – überall wird renoviert, und teilweise rekonstruiert. Ein ganz eigenes Flair, diese ganzen alten Kulturorte im Dornröschenschlaf der DDR-Vernachlässigung!

Es folgen noch ein paar Steigungen – immer begleitet von dem nervtötenden Überholverkehr auf der engen Straße – doch dann endlich beginnen auch die Abfahrten – und was für welche! Das ist einer der Vorteile der Liegeräder: Bergab wirken sie nicht wie Bremsfallschirme, sondern wandeln den Abbau der zuvor erarbeiteten Höhenmeter effizient in immer höhere Geschwindigkeiten um. Mit wohl 70-80 km/h geht es zu Tal, und trotz Sonnenbrille tränen mir die Augen vom Fahrtwind, der mir mitunter sogar das Atmen erschwert – es ist einfach nur gigantisch!

Jetzt verlasse ich meine Spur rechts am Straßenrand, und beziehe Position in der Mitte der rechten Spur. Bei so hohen Geschwindigkeiten wäre ein präzises Einhalten des Abstandes zum Straßengraben sonst zu schwierig. Kein Problem, denn wie ein Blick in den Rückspiegel zeigt, fehlt von noch schneller fahrenden Automobilen oder Motorrädern jede Spur! Einmal folgt auf eine längere Gefällestrecke ein mittelhoher Hügel. “Oh nein – wieder mühsam bergauf strampeln”, denke ich. Doch meine “Fallgeschwindigkeit” ist so hoch, daß ich alleine mit dem Schwung den gesamten Berg hochkomme – ich lache darüber minutenlang. ^^

Kurz vor Bad Salzungen folgt noch einmal eine gewisse Steigung – dort oben gibt es eine nachgebaute Burgruine namens “Frankenstein” (ernsthaft!).

In Bad Salzungen finde ich dank dem Tipp einer Einheimischen ein sehr gutes, kleines Restaurant namens “Kartoffelkäfer” (www.kartoffelkaefer.net). Dort sollte man unbedingt das Thüringer Rostbrätl probieren. Weiters empfehlenswert: Krušøvice Schwarzbier aus Böhmen! Quartier beziehe ich im Hotel Haus Hufeland am Burgsee.

Schon Abends beeindruckt mich diese mir zuvor vollkommen unbekannte Kurstadt dermaßen, daß ich einen Pausentag morgen an diesem schönen Ort erwäge.