Tag 13: Von Bamberg nach Nürnberg

Die Nacht ist eher hart: Ich wache x-mal auf, und trotz geöffnetem Fenster wird es in meinem Dachgeschoss-Zimmer im Hotel einfach nicht kühler – als sei die Heizung an! Ich träume tonnenweise Schrott, und als ich schließlich – noch immer etwas gerädert – aufwache, ist es bereits nach 10:00 Uhr morgens. Frühstück gibt es nur bis 10:30 Uhr, meine ich mich zu erinnern. Mist. Ich rufe bei der Rezeption an. Die versichert mir, daß ich auch, wenn ich a bisserl später runterkomme noch etwas kriege.

Frühstück (das im Übrigen sehr gut war) – und los! Ich begebe mich noch etwas auf “Bamberg-Entdeckungstour”, bevor ich die nächsten Etappenziele ansteuere. Bamberg’s historisches Zentrum ist stark vom Wasser geprägt: Verschiedene Flussarme durchziehen die Stadt, und versorgen noch heute zahlreiche, in historischen Häusern befindliche Mühlen. Man sieht die Mühlräder nicht, da sie hinter Holzkästen verborgen sind. Aber ich vermute, sie treiben heute Turbinen an, und dienen so der Stromerzeugung.

Ansonsten wird es a bisserl stressig mit dem Verkehr: An einer Ampel pennt eine ältere Frau vor mir mit dem Nachrücken. Da ich heute noch was vor habe, überhole ich sie schließlich. Als sie mich in der Folge wieder mit ihrem Auto erreicht, hupt sie aggressiv gleich mehrmals, wohl, weil sie es als “unverschämt” empfindet, daß etwas “so Geringes” wie ein Fahrrad es wagt, sie zu überholen, und sie nun ihrerseits mich “wahnsinnig schwierig zu umschiffendes Hindernis” zu umrunden hat. Was für eine Krise! Was für eine Zumutung!

Mir wird das aggressive Gehupe von der blöden Kuh zu viel, und ich zeige ihr den Mittelfinger. Solche Trottel habe ich selten auf meiner Tour erlebt – seit Hamburg höchstens fünf – und das bei aberhunderten Autos, denen ich begegnet bin. Unter’m Strich kein schlechter Schnitt.

Wenig später – immer noch in Bambergs Altstadt, biege ich vorbildlich an einer Straße mit abbiegender Vorfahrt ab. Ich gebe dabei vorsichtshalber sogar Handzeichen, damit der Groschen beim Gegenverkehr auch ja fällt. Eine Schnecke in einem mir entgegenkommenden (und Vorfahrt-gewährungspflichtigen) SUV fährt trotzdem einfach stur weiter wie ein Panzer, und hobelt mich mit ihrer überdimensionierten Karre dabei fast von der Straße. Dabei gestikuliert sie auch noch wild herum – ganz, als sei nicht sie, sondern ich es, der gerade die Vorfahrt missachtet! O_o

Wenig später, am historischen Altstadthafen Bambergs, lese ich Karten. Ein netter Kerl interessiert sich für Liegeräder, fragt mich nach meinem Rad. Wir unterhalten uns über Liegeräder und Bamberg – ich sage ihm, ich mag Bamberg. Tatsächlich gefällt mir die Lebendigkeit der Stadt, viele junge Leute, dabei offensichtlich ein unheimlicher historischer Reichtum. “Bloß mit den Frauen und dem Fahren gibt es hier wohl ein Problem”, sage ich ob meiner wohl eher zufälligen Erlebnisse sarkastisch, und halb im Scherz.

Wir trennen uns mit freundschaftlichen Grüßen, und ich beginne gemäß dem Vorschlag der App komoot, Nürnberg anzusteuern. Keine 15 Minuten später – ich umrunde gerade einen großen Kreisverkehr – macht es von schräg links hinter mir plötzlich einen Riesen Schepperer: Metall auf Asphalt! Ich kann nicht genau erkennen, was passiert ist, aber eine junge Frau liegt auf dem Boden. Ihr Fahrrad auch.

Ich zirkle um den großen Platz herum, um zu ihr zurückzukommen. Scheinbar hat ein junger Typ, der rechts abbiegen wollte, sie von links geschnitten, die sie selbst hingegen geradeaus hatte weiterfahren wollen. Sie ist mittelschwer an ihrem Fuss verletzt, und blutet an ca. fünf verschiedenen Stellen. Flipflops! Ich hasse diese Dinger. Jetzt habe ich ein weiteres Argument, warum.

Wie praktisch, daß ich extra vor der Reise meine Erste-Hilfe-Tasche durchgecheckt, das seit ca. 4 Jahren abgelaufene Desinfektionsspray gegen ein Neues ersetzt und um Sterilium-Händedesinfektion ergänzt habe. Von perfekt desinfizierten Amateurarzt-Händen kriegt die arme und unter leichtem Schock stehende Fahrradfahrerin schön Desinfektionsspray verabreicht, und einen Verband um ihren Fuß gewickelt, der meinen Erste Hilfe Kurs Lehrer sicherlich stolz gemacht hätte! ^^

Den jugendlichen Unfallverursacher hat die Gute in ihrer Verwirrung einfach weiterfahren lassen, ohne sich die Personalien zu notieren (“der musste schliesslich ganz schnell in die Schule kommen”). Egal. Zahlt die Krankenkasse so oder so. Ich warte noch, bis ihre telefonisch verständigte Arbeitskollegin erst das Fahrrad zur nahen Arbeitsstelle gebracht hat, und dann mit dem Auto zurückgekommen ist, um die Verunfallte damit abzuholen, und mit ihr zum Arzt zu fahren.

Weiter geht es. Die Strecken werden heute wieder sehr schön. Sooooooo lange, absolut profimäßig ausgebaute Fahrradwege – und wo es sie nicht gibt, stoße ich auf ein Kuriosum, das ich so bislang auch noch nicht gesehen hatte: Bundesstraßen/Landstraßen mit verbreitertem Randstreifen, extra für die Fahrradfahrer! So sind die sonst vielleicht 5-20 Zentimeter Asphalt neben der durchgezogenen Weißen Linie auf der rechten Seite der Fahrspur hier einfach 30-50 Zentimeter breit – später sogar bis ca. 1,50 Meter! Die Autos fahren trotzdem noch mit Vollgas an einem vorbei, und das ist latent furchteinflössend – aber man fühlt sich wesentlich sicherer, als auf den “normalen” Straßen, auf denen ich stets versuche so weit als möglich nach rechts zu kommen, um den fiesen LKW’s und potentiellen Mindestabstand-Ignorierern zu entgehen.

Wieder säumen regelmäßig Jesus-Kreuze den Weg.

Ich finde ein Einkaufszentrum mit DHL-Servicestation und Drogerie. Dort entsorge ich – wohl zum letzen Mal auf dieser Tour – ganze zwei Kilogramm Ballast via Versand an mich selbst: Ein Buch, das ich doch nicht lese. T-Shirts, die ich doch nicht trage (weil die Funktionswäsche besser ist), sowie allerlei unnützen Kleinkram. In der Drogerie kaufe ich zudem Feuerzeugbenzin, um damit meine Fahrradkette wieder schön sauber machen zu können.

Meine weitere Strecke wird teils begleitet von Relikten des alten Ludwigs-Kanals, eines antiken Großprojekts mit “Weltwunder”-Qualitäten (http://de.m.wikipedia.org/wiki/Ludwig-Donau-Main-Kanal). Oben zeigt ein Foto eines der alten Schleusenwärterhäuschen. Man beachte: Die schräge Linie rechts an der Fassade zeigt, wo früher der Damm des Kanals verlief. Dort, wo der Mofafahrer steht war einmal das Wasser!

In einer der kleineren Städte die ich passiere, sehe ich ein Geschäft nur für den Bedarf von denen, die zu Hause Bier brauen oder Wein keltern. Materialien vom Feinsten, und das für “Laien”. So etwas gibt es wohl auch nur in Franken!

Unterwegs finde ich einen leckeren Thai-Imbiss mit gefühlt 45% größeren Portionen als Kaimug, Yum2Take & Co. einem in München für’s Geld bieten. Es schmeckt super!

Weiter auf der Piste werde ich von ein paar Hardcore-Tourenradlern auf “normalen” Fahrrädern überholt. Der eine davon scheint sich gar nicht darüber einkriegen zu können, daß er gerade “so einen blöden Liegeradler” überholt hat – Futter für sein Ego. Ich überlege mir für einen Moment, ob ich die zwei etwas verbissen wirkenden Radler zum (unfairen) Duell fordern soll, doch erinnere ich mich dann an meinen Grundsatz für diesen Fahrradurlaub: “So schnell (oder langsam) fahren, wie es sich vom Wohlgefühl her für mich persönlich stimmig anfühlt.”

An der nächsten Ampel habe ich die Beiden trotzdem wieder eingeholt. Auf Dauer können die Normalradfahrer trotz gutem Material (Rohloff-Nabe & Co.) gegen die aerodynamischem Vorteile, die mein Liegefahrrad bauartbedingt bietet, nicht anstinken. Sie verschwinden bald irgendwo im Rückspiegel. Fühlt sich trotzdem irgendwie gut an, ich geb’s ja zu! Ha ha ha

Nürnberg naht, und mit ihm – obwohl ich mich hier im herrschaftsmäßigen Zentrum des an sich Fahrrad-affinen Frankens befinde, die fortwährenden Zumutungen für den Fahrradfahrer: Baustellen, die den Radweg ersatzlos streichen. Radwege, die einen willkürlich auf die Gegenfahrbahnseite umzuleiten versuchen (was will ich da?). Üble Bordsteinkanten, die viel zu hoch sind, um mit adäquater Reisegeschwindigkeit überquert werden zu können.

Nach einiger Zeit habe ich die Faxen dicke, und fahre nur noch auf der normalen Fahrbahn, zusammen mit den Autos.

Nach den eher durchwachsenen Übernachtungserlebnissen der vergangenen Tage entschließe ich mich heute für das Motel One am Plärrer. Bei Motel One weiß man einfach, was man bekommt – was Gutes! 🙂