Tag 6: Laatzen nach Einbeck

Tag 6: Laatzen nach Einbeck

Tag 6: Laatzen nach Einbeck

Der heutige Tag hat mich nochmal ganz anders gefordert als die Bisherigen. Und er brachte die erste ernsthafte Beziehungskrise mit meiner für mich bislang wegweisenden Stimme, der ja bereits mehrfach lobend erwähnten App ‘komoot’. Doch der Reihe nach:

Erstmal ging es spät los aus Laatzen. Ich war mit meinem Blog in Verzug geraten und wollte die fehlende Zeit dokumentieren. Außerdem stattete ich nochmal DHL einen Besuch ab, und schickte etwa 1,3 Kilo Material, das ich als Ballast identifiziert hatte zurück zu mir nach Hause. Und holte mir in einem nahen Elektronikshop ein zusätzliches 2-Port USB-Ladenetzteil, damit ich endlich auch meine GoPro-Kamera und das Handy über Nacht mit Strom auffüllen kann, und nicht nur mein iPad bzw. den Backup-Akku, den ich den ganzen Tag zur Aufrechterhaltung der Navigationsfunktion am Laufen habe.

Übrigens bleibe ich bei meiner Behauptung, daß irgend etwas mit Hannover und seinen Außenbezirken nicht stimmt: Egal, wo ich hinkam: Die Leute auf der Straße wirkten signifikant oft wie versteinert auf mich. Die Einzigen, die in der Hinsicht “aus der Rolle fielen”, waren wie immer die kleinen Kinder, die in ursprünglicher Natürlichkeit schauten, und sagten: “Cooles Fahrrad”, oder dergleichen. Bei den Erwachsenen bemerkte man eine Milisekunde Verwunderung – dann wird sofort ostentativ weggeschaut! Selbst, wenn man demonstrativ freundlich lächelt, passiert meist nichts. Das Höchste der Gefühle ist schon, wenn einen dann verdutzt jemand anschaut wie ein Haus.

Also, ich weiß nicht, was mit den Menschen aus Hannover passiert ist, aber es ist nichts Gutes. Wobei ich Wert auf die Feststellung lege, daß ich auch in Hannover auf nette Menschen gestoßen bin, das hatte ich ja bereits gesagt. Es ist nur der ich sach mal Atmosphären-prägende Eindruck, den ich anspreche.

Doch weiter im Text: Meine Fahrt führte mich über zunächst diverse gepflasterte Radwege (das kannte ich ja aus Hamburg) raus aus der Metropolregion Hannover auf’s Land. Kaum 5, 10 Kilometer raus aus der Stadt fangen auch auf einmal die Gärten wieder an, schöner auszusehen, die Menschen verhalten sich natürlicher, und die Radwege sind auch nicht mehr gepflastert, sondern (entweder gar nicht vorhanden, oder) geteert – oder aber aus Beton gegossen, wobei in letzterem Falle alle ca. 2,5 Meter als Sollbruchstelle eine Rille quer zur Fahrbahn in den ausgehärteten Beton gefräst wird (das macht man, damit Risse sich nicht ´zig Meter lang fortsetzen können).

Heute habe ich dann aber was Bescheuertes gesehen: Einen asphaltierten Radweg mit derlei eingefrästen Rillen! Erstens benötigt der ja auch nach dem Verlegen noch flexible Asphalt so etwas gar nicht, und zweitens sind die Rillen dann der ideale Angreifpunkt für frost- und Pflanzenwuchs-verursachte Fahrbahnschäden. Welcher Trottel dafür wohl verantwortlich sein mag?

Nach ein paar eher schlechten Erfahrungen mit Radwegen (oder deren Abwesenheit) befuhr ich heute auch ein längeres Teilstück blitzsauber verlegten Beton-Fahrradweges (Foto siehe oben) – ein Genuss!

Doch am späten Nachmittag wurde es haarig. Zunächst mal tauchten die ersten “Berge” auf, und kündeten von bevorstehenden Zusatzbelastungen durch Steigungen. Und dann – kurz nach meiner ersten Sichtung eines Tornados (siehe vorangegangener Artikel samt Video) zog richtig übles Wetter auf – und das gleich mehrfach, nur kurz unterbrochen von Phasen des Sonnenscheins. Das Wasser kam schließlich durch die Taschen auch in meine Goretex-Jacke, und nachdem ich für Fotos von einer weiteren, schönen Windmühle kurz von meinem Rad abgestiegen war, wurde auch noch mein Hintern über die vollgeregnete Rückenlehne nass.

Eine Zeitlang konnte ich mir einreden, daß ich ein “toller Held” sei, der dem Regen trotzt, dann aber fühlte ich mich irgendwann nur noch wie ein ganz normaler, frierender, elendiglicher Normalmensch lol.

Ja, und während das alles geschah, wurden die Steigungen an der Strecke immer wilder, und die App ‘komoot’ zeigte stetig an Hirnrissigkeit zunehmende Ausfallserscheinungen:

Was nachmittags noch mit der Anweisung, eine für Fahrräder gesperrte Landstraße zu befahren begonnen hatte, gipfelte schließlich in der Meinung, ich solle trotz einer ebenfalls vorhandenen, kilometerlangen Abfahrt (!) auf einem gut ausgebauten Radweg lieber absolut sinnlos auf dubiosen Feldwegen mehrere ernstzunehmende Berge rauf- (!) und wieder runterfahren, um so nach Einbeck zu gelangen.

Gott sei Dank kann ich aber immer noch Karten lesen und selbständig denken – und so war ich ab der denkwürdigen Weggabelung in 20 Minuten sausender Bergabfahrt in Einbeck – und nicht nach eineinhalb weiteren, kraftzehrenden Stunden im Regen und in der Kälte, wie komoot es idiotischer Weise für mich vorgesehen hatte!

Und – fast hätte ich vergessen es zu erwähnen: Selbst wenige hundert Meter von Einbeck entfernt, verlangte komoot via Lautsprecheransage immer noch in nicht zu überbietender Sturheit von mir, die zwei, drei Kilometer steil bergauf (!) zurückzufahren, um komoot’s ursprünglichen Vorschlag doch noch zu “bedienen”! Also ab heute ist diese App in der Quarantäne bei mir! Maßgebliche Streckenentscheidungen nur noch nach Rückversicherung über Google Maps.

Einbeck indes schlug mich bereits nach wenigen Minuten in seinen Bann: Nirgends sonst habe ich je so viele schier unglaublich alte Fachwerkhäuser mit kreativ gestalteten, überreich mit Schnitzereien und Ornamenten verzierten Fassaden gesehen! Und wer kennt schon “Einbeck”?!? Als Taxi- und Limousinenfahrer habe ich ja mehrfach geschichtshungrige Amerikaner in das berühmte (und definitiv ebenfalls besuchenswerte) Rothenburg ob der Tauber gefahren. Doch wenn die Amerikaner wüssten, was es in EINBECK zu sehen gibt, dann könnte Rothenburg ‘zammpacken! Von dem her sehr seltsam, daß Einbeck überregional so wenig bekannt ist.

Ich hab jetzt nicht all zu viel Zeit zum Schreiben, denn ich werde müde – aber zu Einbeck gibt es auch sonst sehr viele historische Daten und Fakten, die beeindrucken – und wenigstens ein paar davon möchte ich hier noch erwähnen:

So war bereits vor hunderten von Jahren (die meisten Gebäude im historischen Stadtkern datieren auf das 16. Jahrhundert) ca. jedes zweite (!!!) Haus im Besitz des Braurechtes. Die sprichwörtlich halbe Stadt war also eine einzige, gigantische Bierproduktion! Trotz dieser Vielzahl an Brauereien wurde das Bier aber zentral vermarktet (ebenfalls ungewöhnlich) – und es gelangte auch damals schon an unwahrscheinlich weit entfernte Orte – so auch nach München.

Bayern, ihr müßt jetzt tapfer sein: Unser als ‘urbayrisch’ erachtetes “Bock”-Bier ist nichts anderes als eine “billige Kopie” 😉 einer ehedem nur in Einbeck produzierten Bierspezialität! Ich zitiere hierzu Wikipedia:

“Der Ursprung dieser Biersorte liegt in der ehemaligen Hansestadt Einbeck in Niedersachsen. Mit der Vergabe des Stadtrechtes 1240 durch die Söhne Heinrichs des Löwen war auch ein Braurecht für die Bürger verbunden. Das im Mittelalter gebraute obergärige Bier galt als Luxusware und wurde über weite Strecken, unter anderem bis nach Italien, exportiert. Um die dafür nötige Haltbarkeit zu erreichen, braute man es mit einem ungewöhnlich hohen Stammwürzegehalt. Das Resultat war ein schweres, alkoholreiches Bier.

Der herzögliche Hof der Wittelsbacher in München ließ sich seit 1555 aus Einbeck beliefern, bis man 1573 das erste bayerische Hofbräuhaus zunächst auf der Landshuter Burg Trausnitz gründete und 1589 nach München verlegte, um selbst Bier zu brauen. 1614 wurde der Braumeister Elias Pichler von Einbeck an das Hofbräuhaus abgeworben, der fortan sein Ainpöckisch Bier in München braute. In der Münchner Mundart wurde daraus im Lauf der Zeit die Bezeichnung Bockbier. Das Wort Starkbier ist wesentlich jünger, es kam erst im 20. Jahrhundert auf.”

Für morgen habe ich mir vorgenommen, außerplanmäßig einmal dieses Einbeck etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Dabei kann ich endlich auch wieder saubere, trockene Kleidung tragen. Die bemerkenswert nette Hotelierin (Haus Johanna, http://www.haus-johanna-einbeck.de) hat mir angeboten, meine Sachen über Nacht zu waschen und zu trocknen! Wenn so etwas kein legitimer Grund für ein ordentliches Trinkgeld ist, was ist es dann? 🙂

Ach und übrigens, wo wir schon gerade bei Empfehlungen sind: Mein Abendessen habe ich im Restaurant Italia eingenommen: Souveräne original italienische Küche jenseits des üblichen 08/15 Krams. Nettes Personal, schöne, saubere Toiletten – kurzum alles passt und macht Freude! http://www.ristorante-italia.info/index.html

Tornado am Wegesrand

Tornado am Wegesrand

Bevor ich anfange, mich über den heutigen Tag auszulassen, hier vorab mal ein Video, das ich heute etwa am frühen Nachmittag aufgenommen habe.

Ich weiß nicht, ob ihr es auf dem Material erkennen könnt, aber es zeigt einen Tornado in der Entstehungsphase (hierzulande lautet der Fachbegriff ja ‘Windhose’ – aber ich boykottiere diesen Begriff, da er für das tatsächliche, beeindruckende Naturspektakel viel zu waschlappenartig klingt).

Der “Rüssel” bildete sich immer wieder neu von oben aus der Wolke heraus, und man konnte sehen, wie wie in einem Aufzug Luftmassen von unten in diesem Strudel nach oben wanderten.

Freilich reichte dieser “Mini-Tornado” diesmal nicht bis zum Boden hinab. Also keine wegfliegenden Reisebusse, Häuser oder Liegeradfahrer. 😉 Nochmal Glück gehabt. Stundenlang geregnet freilich hat es hernach trotzdem. Es war ein harter Nachmittag.

Tag 5: Von Bad Fallingbostel nach Laatzen

Tag 5: Von Bad Fallingbostel nach Laatzen

Tag 5: Von Bad Fallingbostel nach Laatzen

Wieder ein schöner Tag “on the road”. Er führt mich durch liebliche Heidedörfer hin zur (nicht ganz so lieblichen) Stadt Hannover.

Unterwegs die Erkenntnis, daß es hier ein paar erwähnenswerte Traditionen bei den historischen Bauernhäusern gibt:

  1. Gebaut wird hier stets mit rotem Klinkerstein, und Fachwerk.
  2. Häuser sind oft reetgedeckt.
  3. An der Stirnseite des Hauses, die regelmäßig zur Straße hin weist, wird gerne ein religiös thematisierter Sinnspruch angebracht. Bei einem davon entdeckte ich sogar neben dem christlichen Text zwei Runen, die die Aussage wohl komplettieren sollen.
  4. In dieser Gegend sind wohl die Schützenvereine das, was anderswo die Freiwillige Feuerwehr ist: Der soziale Marktplatz, der Treffpunkt, und Dreh- und Angelpunkt der Dorfgemeinschaften. Dies lese ich daran ab, daß nahezu jedes Haus hier auf dem Land an der Stirnseite Schützenscheiben montiert hat – auf den letzten hundert Kilometer sah ich DUTZENDE davon!
  5. Es gibt noch eine recht lebendige Tradition der Gartenpflege: Überall lieblich angelegte Beete zur Straße hin – oft mit Rosen und Lavendel, der auf dem sandigen Untergrund hier augenscheinlich bestens gedeiht.

Der erste Teil der heutigen Fahrt führte über parallel zu Landstraßen verlaufenden Radwegen (seit Hamburg sind diese Wege GRUNDSÄTZLICH auf der Ostseite der Straßen – ist wohl eine flächendeckende Bauregel, das so zu machen. Radfahrer – der Sonne näher als Autofahrer! 😉

Leider ist dann aber auch ein etwa sieben Kilometer langes Stück auf einer nicht wenig befahrenen Landstraße dabei. Gott sei Dank habe ich jetzt meinen Helmrückspiegel! Alle 5 Sekunden checke ich, was sich hinter mir tut, und trotz dem Miniformat des an einen Zahnarztspiegel erinnernden Gerätes sehe ich bis in 500 Metern Entfernung, ob ein Auto kommt.

Doch trotz der bedrohlichen Streckensituation möchte ich an dieser Stelle ein Lob auf die norddeutschen Autofahrer aussprechen: Praktisch alle agieren rücksichtsvoll und geduldig, bremsen oft extra hinter einem ab, um eine Gelegenheit, weiträumig überholen zu können abzuwarten! Das ist z.B. bei den hektischen Fahrern rund ums heimische München nicht ganz so schön.

Kurz bevor ich die Ausläufer Hannovers erreiche (mal wieder mit heftigen Regenschauern zwischendurch) mache ich im Vorüberfahren in einem Wohngebiet eine alte Windmühle aus. Ich ackere mich über einen Feldweg in Richtung der Mühle. Am Ende ist meine ganze Schaltung vollgestopft mit Grashalmen, die sich schön um die Zahnrädchen gewickelt haben!

Aber die Mühe hat sich am Ende gelohnt, denn vor mir steht eine toll renovierte Mühle aus dem Jahre 1602! Sie befindet sich auf einem Privatgrundstück, und einer der Anwohner ist tatsächlich der rechtmäßige Erbe dieses bemerkenswerten Zeugnisses der Vergangenheit.

Ich lerne, daß dieser Typ Mühle sozusagen für Mobilität entworfen worden war: Man konnte, etwa bei einer Mitgiftsituation, das ganze Ding relativ einfach demontieren, und ganz woanders wieder neu aufbauen. War mit dieser Mühle in der Vergangenheit so auch mindestens einmal geschehen.

Dann Hannover. Zwar verspricht mir an städtische Infrastruktur Gewöhntem der übliche Mix aus Einkaufsmöglichkeiten eine gewisse Erleichterung (vor dem Harzer Gebirge möchte ich noch einige “Ballastgegenstände” loswerden, indem ich sie einfach in eine Kiste packe und per Post an mich selbst verschicke), doch die zunehmende Tristesse ist nicht zu leugnen.

Vielleicht fahre ich durch die falschen Viertel von Hannover, aber irgendwie kommt es mir so vor, als dominiere hier eine Diktatur der Versachlichung – Straßenzüge ohne Gesicht, mit wie aus großer Höhe hingeschmissenen Industrie- und Gewerbegebäuden begleiten mich in die inneren Bereiche der Stadt. Dort schließlich auch viele Gebäude mit Jugendstilornamentik – erinnert sehr an den Münchner Stadtteil Schwabing. Doch anders als dort kaum irgendwo eine liebevolle Dekoration aus der Gegenwart, ein nett gestaltetes Café, ein hübscher Garten oder ein erfreulicher Blumenkasten am Balkon.

Vor der Schlussetappe zu meinem Hotel finde ich ein “Blockhouse” Steak-Restaurant. Au fein, denke ich, da kann man nicht viel falsch machen. -Wrong again, Bob! Der Rotwein, den man mir bringt ist schlichtweg untrinkbar. Entweder ein schlechter Korken, oder die Flasche war ein paar Tage lang geöffnet herumgestanden!

Natürlich lasse ich den Wein zurückgehen – doch der Ersatz ist ebenfalls keine Genuss-Offenbarung. Dann der Salat: Die Tomaten sind derart grob zugeschnitten, daß ich nochmal mit dem Messer ran muß, um sie überhaupt mundgerecht zu bekommen. Wenigstens schmeckt das Dressing aber gut, und das Steak samt Folienkartoffel ist auch in Ordnung.

Eine dreiviertel Stunde später stellt der Rezeptionist des zwar in einem hässlichen Trabantenstadt gelegenen, aber sehr sauberen und komfortablen Hotels den ersten wirklichen Lichtblick hier in dieser Gegend für mich dar. Er erkundigt sich interessiert nach meinen weiteren Reiseplänen, und gibt mir Tipps für eine bessere weitere Fahrradroute.

Tag 4: Buchholz in der Nordheide nach Bad Fallingbostel

Tag 4: Buchholz in der Nordheide nach Bad Fallingbostel

Tag 4: Buchholz in der Nordheide nach Bad Fallingbostel

Die Strecke streift die Lüneburger Heide, in die ich mich nicht weiter hineinwage, da angeblich einige der Wege nur aus Sand und Steinen bestehen – und das ist schwierig mit dem Liegerad. Trotzdem erlebe ich viele Kilometer schöner Landschaft, friedlich dahinwehender Kornfelder und harmonischer, regelmäßig viele Jahrhunderte alter, reetgedeckter Gutshöfe.

Die App komoot arbeitet wie zuvor zuverlässig – nur zwei jeweils ein paar hundert Meter lange Straßenabschnitte aus rohen, ungeglätteten Pflastersteinen nerven etwas – davor hätte komoot warnen sollen. Ich weiche auf die Sand-Trampelpfade seitlich des Straßenwalls aus.

Schließlich erreiche ich Soltau, wo ich eigentlich übernachten wollte. Die letzten Kilometer war ich in anhaltendem Regen gefahren, und so folge ich spontan der Beschilderung, die zur Soltauer Therme weist. In Sichtweite der Therme checke ich – an einer Sitzecke unter einem Baum vor Regen geschützt – erstmal via Google die Rezensionen der Therme, als auch die Hotelsituation in Soltau. Da finde ich aber auf die Schnelle nix Gescheits. Aber im 15 Kilometer entfernten Bad Fallingbostel gibt es was. Ich rufe an, und reserviere.

So – jetzt nochmal schnell aufwärmen und die Muskeln “sortieren” in der Sauna. Die Therme liegt auf einem steilen Hügel, und eine Rezension hatte bereits davor gewarnt, daß die Therme nicht behindertengerecht sei. Folglich komme ich wohl auch nicht mit meinem Liegerad und dem Gepäck da hoch? – Sehr wohl, denn plötzlich finde ich zwischen den Büschen eine rollstuhlbreite Furt durch das Unterholz, die mich auf Serpentinen, die Haupttreppe mehrfach kreuzend direkt bis vor den Haupteingang bringt.

Jetzt aber – WÄRME!!

Doch nein. Das Personal wirkt, als ich mich nach den Preisen erkundige, eher abweisend auf mich, à la “Kunde droht mit Auftrag”. Leider war die Preisliste außen am Eingang eher verwirrend, und ich erinnere mich an eine der Thermenrezensionen, die ich vorhin im Internet gelesen hatte, und welche von “schlechten Überraschungen” warnte, wenn man im inneren der Therme in einen anderen Bereich wechselt: “Die dicke Rechnung kommt am Ende”. LOL

Lange Rede, kurzer Sinn: Die wollen allen Ernstes 17.- Euro dafür, daß ich am späten Abend, zwischen 20:00 und 21:00 für nur eine Stunde in die Sauna gehe! Ha! Nicht mit mir, Freunde!

Ich fahre die Serpentinen wieder ab, finde gleich um’s Eck ein nettes Steakhaus, und investiere dort mein Geld lieber in ein richtig gutes Abendessen. Dergestalt gestärkt, gehe ich um kurz nach Neun die letzten 15 Kilometer – komplett in strömendem Regen – an. Das Hotel in Bad Fallingbostel ist nett. Als ich nach dem Checkin wieder in die Dämmerung rausgehe, um meine Packtaschen zu holen kommt da ein Mann mit einem Riesenhund an der Leine die Einfahrt herauf.

Als der Hund meiner angesichtig wird, bellt er gleich los, als wolle er mich zerfleischen und zerrt an der kurzgehaltenen Leine. Doch mich beeindruckt das nicht, verstehe ich mich doch mit Hunden sehr gut.

“Na, Hundchen!?” sage ich freundlich, gehe auf ihn zu, strecke ruhig meine Hand aus, und sage dem etwas irritierten Hundehalter, er könne seinem Hund ruhig etwas mehr Leine geben, damit der an mir schnuppern kann (Hunde wissen erst dann wirklich, “mit wem sie es zu tun haben”, nachdem sie an einem geschnuppert haben). Der Hund schnuppert, und ein paar Sekunden später schon sind wir beste Freunde. 😀 Augenscheinlich war es mein Fahrradhelm, der mich bei ihm vorübergehend in die Kategorie “Feind” hat fallen lassen.

Der Mann mit dem Hund ist ein Jäger, der gleich nebenan wohnt. Er bietet mir sogar freundlicher Weise an, daß ich mein Fahrrad in seiner Garage unterstellen kann. Doch das Hotel hat selbst eine Garage – extra für Fahrräder – und nachts wird abgesperrt. Ich lasse den Abend ausklingen bei einem Glas Schlehen-, und einem Glas Heidelbeerwein. Meine Interesse an diesen selten gesehenen Getränken bezahle ich am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen. Da war wohl der verwendete Alkohol von keiner guten Qualität.

Über verwunschene Strecken

Über verwunschene Strecken

Über verwunschene Strecken

Über verwunschene Strecken (ich verwende für die Tourenplanung eine Mischung aus schriftlichen ADFC-Empfehlungen für die generellen “Großraum-Strecken”, sowie einer brillianten Turn-by-Turn-Navigation mittels der äußerst empfehlenswerten App “komoot”) gelange ich nach diversen Einkäufen wichtiger Dinge zunächst über die Elbe, dann nach Hamburg-Harburg, und schließlich am Abend nach Buchholz in der Nordheide.

Klar machen sich meine fehlende Kondition und die in den letzten Jahren effektiv non-existente Fahrradpraxis bemerkbar, doch ich halte mich wacker – und gemäß meiner Situation finde ich auch eine gute Streckendosis, um nicht befürchten zu müssen, den Rest des Weges erschöpft im Sanka zurücklegen zu müssen.

Für die Wahl der Schlafstätte wende ich auf meiner Tour folgende Methode an: Ich überlege mir Nachmittags, wie weit ich es wohl ungefähr schaffen könnte an diesem Tag, suche dann am frühen Abend in diesem Beriech mit meinem iPad im Internet Hotels, Pensionen oder Bed & Breakfasts mit glaubwürdigen, guten Bewertungen, und reserviere dann einige Stunden vor Ankunft telefonisch. Hat meine Zielstadt nix Gescheites, fahre ich eben weiter bis zur nächsten Stadt.

Tag 3 bringt zunächst mal eine kleine Rückfahrt – denn ein paar Kilometer vor meinem Hotel, das an sich ziemlich in der Pampas liegt, waren mir in einem Fata Morgana-ähnlichen Gewerbegebiet “in the middle of nowhere” am Abend zuvor noch einige für den Tag bereits geschlossene Läden aufgefallen, von denen ich mir ein paar sinnvolle Gadgets für mein weiteres Vorankommen erhoffe.

So suche ich einen gigantischen Frankonia-Jagdzubehör-Laden auf, um mir Ballistol (ein besonderes Waffenöl, das aber nicht nur bei Waffen wahre Wunder tut, sondern auch bei allen anderen mechanischen Geräten) zu kaufen, und ich hole mir bei Obi Brennspiritus zur gründlichen Entfettung meiner Kette (beim Liegeradspezialisten in Hamburg hatte ich ein Trockenschmierungs-Spray gekauft – doch bevor man das auf der Kette einsetzt, muß erst einmal das alte Öl runter).

Ferner besorge ich Reinigungstücher und eine Großpackung Einweghandschuhe – die Aktion mit dem Platten gestern, und total verschmutzten Händen danach hatte mich, was das betrifft eine Lektion gelehrt.

Aber das Beste in diesem Gewerbegebiet ist ein Riesen-Fahrradladen, in dem ich endlich den noch fehlenden Helmrückspiegel finde (der Letzte, den die noch da hatten!), einen zusätzlichen Ersatzschlauch für mein Hinterrad kaufe (sicher ist sicher…), ja, und in dem ich meine Reifen aufzupumpen trachte.

Als ich meinen Vorderreifen mit Luft befülle, zischt es plötzlich ganz laut, und ich weiß sofort: Dies ist der Exitus dieses nunmehr zweimal geflickten Schlauches! Gestern war mir ja bei der Reparatur des zweiten Plattens, den dieses Rad gesehen hatte die angerissene Stelle neben dem Ventil aufgefallen – und just an dieser Stelle hat es nun den Schlauch zerlegt!

Dennoch – ich freue mich! Denn so geschah die Havarie mitten im Paradies für Ersatzteile (und Werkzeuge) – und diesmal kann ich mir nach der nun folgenden Schlauchwechselaktion meine dreckigen “Pfoten” schön auf der Kundentoilette des Fahrradgeschäftes waschen – purer Luxus!

Übrigens zeigt das Foto rechts oben meinen Backup-Akku, der trotz seiner dafür nachgerade winzigen Ausmaße über eine Kapazität von deutlich über 20 Amperestunden verfügt. Trotz diesem Helfer erlebe ich aber heute einen “Energie-Engpass”: Ich kann nachts immer nur ein USB-Gerät laden: Lade ich den Backup-Akku, kommen iPad und Galaxy-Handy zu kurz – lade ich aber Letztgenannte sofort, reicht der Saft bei denen bestenfalls bis zum frühen Mittag, und dann gibt es keinen Backup, auf den ich zurückgreifen könnte.

So lade ich nun erstmal nachts immer den Universal-Backup-Akku, und hänge dann auf der Tour die Geräte daran, die mir am wichtigsten erscheinen: Handy, iPad oder GoPro-Kamera. Für den Montag habe ich die Anschaffung eines Steckdosen-Mehrfach-Laders vor, damit nicht immer zwei Geräte zu kurz kommen.